- JA, Hunde tragen als Raubtiere Waffen im Maul und können beissen. Das ist Fakt. ABER, als hoch soziale Lebewesen sind sie grundsätzlich auf Konfliktvermeidung bedacht. Ihr Verhaltensrepertoir ist dementsprechend reich! Wir müssen sie nur lesen. Genau hier liegt der Knackpunkt. Im Vorfeld eines Beissvorfalls nehmen wir zu oft die Signale in der zumeist bereits angespannten Lage nicht wahr. Sind vielleicht zu abgelenkt, zu gestresst. Unser Stress wird durch Stimmungsübertragung zu einem zusätzlichen Stress für den Hund. Hat er dann vielleicht auch kein sicheres Rückzugsgebiet wo er in absoluter Ruhe gelassen wird (oder hat schlicht nicht gelernt, sich dorthin zurückzuziehen) sind Probleme vorprogrammiert.
Auch sogenannte Ressourcenverteidiger sollten nicht unterschätzt werden. (siehe Blog)
Kinder sind Kinder, daher ist immer der Erwachsene als aufmerksamer wie einfühlsamer Verantwortungsträger gefordert. Bis zum 3. Lebenjahr ist die Feinmotorik eines Kindes noch nicht ausgebildet, daher fassen sie relativ grob ins Hundefell. Bis etwa zum 8. Lebensjahr als untere Grenze (kann auch das 12. sein) sollte man Kind und Hund nie unbeaufsichtigt lassen. Zum Schutz beider! Hunde sind kein Spielzeug und sie brauchen wie Kinder eine sinnvolle Erziehung um zu lernen sich angemessen zu verhalten. Auch Kinder lernen rasch, wie sich einem Tier gegenüber verhalten sollen. Zudem lernen Kinder oft intuitiv die Sprache der Tiere.
Gründe, warum ein Hund zu seiner letzten Möglichkeit sich zu wehren greift:
- Mangelhafte Sozialisation mit Menschen allgemein und oder mit Kindern im Speziellen
- Schlechte Erfahrungen mit Menschen oder und Kindern
- Wichtige hündische Bedürfnisse werden nicht erfüllt wie nach Bewegung, geistiger Beschäftigung, Zuwendung und Ruhe
- Unsicherheit, Angst, Stress (aktut oder chronisch), Stimmungsübertragung, Schmerzen
- Beruhigungssignale werden nicht wahrgenommen, ignoriert oder übergangen
- Warn- und Drohsignale werden nicht erkannt oder in den Wind geschlagen
Fragen, die ich VOR der Geburt meines Kindes klären sollte wie:
- Wie siehts mit der Selbstkontrolle Ihres Hundes aus?
- Wie mit der Frustrationstoleranz?
- Wie sind die Reizschwellen angelegt? Es gibt viele Faktoren, die unserer Wahrnehmung im Vorfeld entgehen oder die wir schlicht unterschätzen.
- Ist der Hund grundsätzlich in Ressourcenverteidiger (der Mensch ist eine wichtige Ressource)? Eher unsicher, ängstlich, leicht gestresst? Vor der Geburt deshalb, damit Hund mit dem Kind keine negativen Emotionen verbindet.
Eventuelle Managementmaßnahmen, wie schlief der Hund bis dato im Bett, sollte er bereits während der Schwangerschaft nicht mehr im Bett schlafen dürfen, sofern das Baby bei den Eltern im Bett schläft. Dies ist eine Vorsichtsmaßnahme. Bei ressourcenverteidigenden Hunden unbedingt notwendig. Man bietet dem Hund eine sehr ansprechende, gemütliche Alternative.
Da man Kleinkind und Hund nicht rund um die Uhr unter Aufsicht haben kann, bewähren sich verstellbare Kindergitter (im Handel erhältlich).
Es dürfen Tabus eingeführt werden. Im Idealfall bereits VOR der Geburt (etwa Tabu Kinderzimmer, Badezimmer, Tabu Stillsessel), um Fehlverknüpfungen zu verhindern.
Ein Säugling kommt ins Haus!
Säuglinge duften nach Babykot und das mögen die meisten Hunde. In manch afrikanischen Stämmen werden Hunde als Art „lebender Windelersatz“ eingesetzt, indem sie den frischen Babykot verzehren dürfen und sollen.
Während die Eltern sich langsam auf ihren Familienzuwachs vorbereiten konnten, fällt für den Hund das Baby fast wie vom Himmel. Von heute auf morgen ist alles anders. Ein Hund muss die Chance bekommen, sich an den Neuankömmling mit seinen zappeligen unkoordinierten Bewegungen und das Kindergeschrei gewöhnen zu dürfen. Haben Sie bitte Geduld, denn auch für den Hund bedeutet die Anfangszeit mit einem Neugeborenen Stress pur. Alles verändert sich wie der Tagesablauf, die Rituale, seine Menschen haben weniger Zeit, sind aus Schlafmangel manchmal müde und gestresst (→ Stimmungsübertragung). Psychosomatische Erkrankungen wie Gastritis, Gastroenteritis oder Blasenentzündungen (bei Katzen, plötzliche Unsauberkeit) sind nicht selten. Hat der Hund keine Erfahrungswerte mit Säuglingen auf die er zurück greifen kann, ist eine anfängliche Irritation durchaus nachvollziehbar.
Hunde lernen zu einem großen Teil durch Verknüpfungen, Assoziationen. Es ist sehr wichtig, dass der Hund mit dem Kind Positives verknüpft. Das bedeutet, wenn man sich mit dem Kind beschäftigt, dem Hund gleichzeitig Erfreuliches anbieten wie Spiel, Streicheln in Verbindung mit ruhigen Worten wie guuuuter Hund, besondere Leckerbissen. Das Motto“dabei sein ist alles“ ist für viele Hunde als Rudeltier essentiell. Als Nasentier muss der Hund den Neuankömmling ausgiebig beschnuppern dürfen.
Generell fallen Kinder für einen Hund, der nicht auf Kinder sozialisiert wurde, in ihrer Gesamtheit „aus dem Rahmen“. Gehen sie einmal bewusst hinter einem Kind her und beobachten sie seine teilweise unkoordinierten, schlaksigen, plötzlichen Bewegungen. Kinder bewegen, gehen, laufen, sprechen anders als Erwachsene. Das kann äußerst suspekt sein für einen Hund, der Kinder schlicht nicht gewohnt ist. Dann laufen diese lieben Kinder oft auch noch spontan drauf los, was den Hund zum Mitspielen und Anspringen und vielleicht sogar zum Festhalten motiviert. Ein schnelles Loslaufen kann ein Auslösereiz für den Hund sein. Er ist kein böser Hund, nur ein Hund. Sein Spiel manchmal zu grob für eine zarte Kinderhaut. Er kann nur in Hundesprache kommunizieren und von einem kleinen Kind können wir nicht erwarten, dass es seine Beruhigungssignale versteht.
Manch ein Kind etwa startet schnurstracks auf einen Hund zu, blickt im direkt in die Augen, was der unsichere Hund leicht falsch verstehen und als Provokation oder sogar Angriff werten kann. Also bitte Vorsicht liebe Eltern. Ein Hund ist halt ein Hund. Er kann sich nur wie ein Hund verhalten. Ein Knurrer, ein Beller um Distanz zu wahren oder sogar zu vergrößern ist hier noch die bessere Variante anstatt ohne Vorwarnung gleich zu beissen. Also bitte ernst nehmen und eventuell professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, BEVOR mehr passiert. Bevor wir wieder von einem Beissvorfall aus angeblich heiterem Himmel in der Zeitung lesen.
Vorausgesetzt wir sind wohlwollende, liebevolle, souveräne Verantwortungsträger im Mensch-Hunde-Gespann, ist es für den Hund nur natürlich auch Grenzen gesetzt zu bekommen.
Wie wir Menschen so gleicht auch kein Hund dem anderen. Es gibt sehr große individuelle Unterschiede, daher Vorsicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Dennoch ist es von grundsätzlicher Wichtigkeit „Hündisch“ zu lernen um die Zeichen rechtzeitig zu erkennen und um im Vorfeld gegensteuern zu können.
Zudem können Hunde oftmals ihre Antriebe mangelhaft auseinanderhalten. So kann ein Spielverhalten bei bestimmten Auslösereizen plötzlich in Jagd- oder Beuteverhalten umschlagen. Zappeln und Wimmern eines kleinen Lebewesens kann durchaus Beuteverhalten auslösen. Es sind Hunde. Keine Menschen. Daher können sie sich nur wie Hunde verhalten.
KIND UND HUND NIE UNBEAUFSICHTIGT LASSEN!