Montag, 18 November 2019 17:35

    Geruchssinn des Hundes

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    natur kuno 2013 003 „Immer der Nase nach...“ - und dazu muss nicht erst eine Fährte für meinen 10jährigen Rüden gelegt sein. Bei unserer ersten Gassirunde in den frühen Morgenstunden, wenn noch alles schläft, taucht „Kuno“ ganz und gar in seine Geruchswelten ab. Meist ist es noch dunkel oder zumindest dämmrig . „Kuno“ folgt einzig seiner Nase und meinen Signalen, wenn er sich gar zu sehr in seinen Welten verliert, zu denen ich keinen Zugang habe.

    Gar nicht so viel anders kommt seine feinsinnige Nase bei unserer spielerischen Fährtenarbeit zum Einsatz. Ruhig sitzt und wartet er, bis ich vom Fährtelegen zurückkehre . Das Signal „Such“ wird gespannt erwartet, die Nase läuft auf Hochtouren um das ausgelegte Bringsel zu suchen, zu finden und zu bringen. So viel Freude macht sich in ihm breit, das muss man erlebt haben. Bei mir muss das Bringsel nicht angezeigt werden, er darf es mir einfach bringen.

    Wir können Nasenarbeit in unterschiedlichster Form anbieten, hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Man benennt etwa ein kleines Objekt und kann dieses dann in der Wohnung, im Garten... verstecken und suchen lassen. Natürlich muss dies step by step trainiert werden. Wir müssen dem Hund schon zeigen, was wir von ihm wollen. Dann macht es aber groß und klein umso mehr Spaß.

    Es gibt sehr wohl Unterschiede im individuellen Geruchsvermögen und diese sind nicht allein Rasse bedingt. Selbstredend sind sehr kurznasige Hunde schon anatomisch ihren langnasigen Verwandten unterlegen. In einem Stupsnäschen ist einfach weniger Platz für ein ausgedehntes Riechepithel. Brachyzephale (= kurzköpfige) Hunderassen leiden zudem an einer behinderten Atmung wodurch natürlich weniger Duftreize an ihre Geruchssensoren gelangen.

    Aber nicht nur die Kopf- und die Schnauzenform sind ausschlaggebend für die Ausdehnung des Riechepithels. Auch die Körpergröße des Hundes ist ein wichtiger Faktor. Ein Deutscher Schäferhund hat etwa eine Riechfeldfläche von 150 cm² und ein Dachshund von etwa 75 cm². Es liegt nahe, dass je größer die Riechfeldfläche ist, umso mehr sensorische Zellen Platz finden. ABER: die Mehrbestückung verläuft nicht proportional, wie Sie sich vielleicht bereits denken konnten. Größere Hunde haben zwar ein größeres Riechfeld, ABER im Verhältnis dazu weniger Riechzellen! Dennoch, die reine Riechzellenanzahl verbessert zwar die Riechschärfe (nicht proportional) ist aber nicht alleine dafür verantwortlich, wie gut und sicher ein Hund einer Fährte folgt. Denn, das hängt zusätzlich von der Motivation (!), den individuellen Veranlagungen und natürlich den rassespezifischen Eigenschaften wie Verhaltensweisen ab.

    Eine weiterer wichtiger zusätzlicher Faktor ist die Anzahl der Gene, die für die Ausstattung der Riechzilien mit ihren vielfältigsten Rezeptoren verantwortlich ist. Die Anzahl ist bei allen Hunde gleich, nämlich rund 1.000. Rein theoretisch ist also das genetische Potential eine sehr feine Nase zu entwickeln, bei allen Hunden gleichermaßen vorhanden. Allerdings wird dieses Potential unterschiedlich genutzt. Wie und ob es genutzt wird, wird nicht zuletzt von der Zuchtauswahl mitbestimmt.

    Bemerkung am Rande: weder die Gelbfärbung des Riechfeldes am Nasengrund noch die Intensität der Färbung des Nasenschwamms haben Einfluss auf das Geruchsvermögen ihres Hundes.

    Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Geruchsorganes (= Riechschärfe) ist die Riechschwelle ausschlaggebend. Hierbei wird zwischen Wahrnehmungs- und Erkennungsschwelle unterscheiden.

    Die Geruchswahrnehmung findet bei unseren Hunden auch über das sogenannte Mund-Riechorgan am Gaumen = Vomeronasal Organ (VNO) oder Jacobson's Organ statt. Viele Menschen ekeln sich, wenn ihr Rüde etwa den frischen Urin einer Hündin aufleckt. Nun, so befördert er wichtige Information an das VNO. Er ist eben ein Hund und wir können nur erahnen, wie unsere Hunde ihre Umwelt mit dieser Sinnesfeinheit wahrnehmen.

    Auch die Hundenase braucht Abwechslung, weil sich die Riechsinneszellen sehr rasch adaptieren. Bei immer gleichartigen Duftmolekülen reagieren die Sensoren im Laufe der Zeit immer weniger darauf. Diese Gerüche werden mit der Zeit uninteressant und sogar vom Riechhirn mit der Zeit ausgeblendet. Aber, müde Rezeptoren lassen sich sehr leicht wieder munter machen durch neue, andere Duftwolken. Der Hund selbst macht sich dies zunutze, indem er bei einer Fährte überwiegend im Zick-Zack-Kurs läuft. Das muss man ihm nicht erst lehren. Vielleicht ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass der Hund dabei die Luft nicht in einem einzigen langen Atemzug einsaugt, sondern dass Hunde stoßweise atmen. Diese Atmung ist sehr nützlich um die Sensoren ohne Unterbrechung auf Empfang zu halten.

     

    Da sich gezielte Fährtenarbeit immer größerer Beliebtheit erfreut , noch ein paar Worte hierzu.

    Fährtenarbeit darf nie übertrieben werden, weil diese dem Hund rasch wahre Höchstleistungen abverlangt, nicht zuletzt durch die gehemmte Atmung. Daher muss der Hund wirklich topfit sein und über eine gute Kondition verfügen. Bei normaler Atmung beträgt die Geschwindigkeit des Luftstromes in den Nasenwegen etwa 3-4 km/h. Beim Schnüffeln hingegen erhöht sich die Geschwindigkeit um etwa das Zehnfache! Die sogenannte gehemmte Atmung bei der Fährtenarbeit ist durchaus belastend für unsere Hunde. So erhöht sich die Körpertemperatur bei einer längeren (!) Fährte um 1-2 Grad Celsius und der Laktatgehalt des Blutes steigt wie bei einem rasanten Sprint an. Ebenso wird der Herzschlag erhöht und daher brauchen Hunde bei Fährtenarbeit regelmäßgie Pausen. Erst nach etwa 1,5 Stunden werden wieder Normalwerte erreicht. Unmittelbar nach der Fährtenarbeit sollte man mit seinem Hund nur kurz ein wenig spielen, ausruhen lassen und ihn keinesfalls anstrengen. Je gesünder, vitaler und fiter der Hund ist, desto besser kommt er mit den Belastungen klar.

    Ich persönlich biete meinen Hunden Nasen- und Fährtenarbeit in spielerischer Form an. Bei mir zählen keine Höchstleistungen, sondern der Spaß an der Sache für Mensch und Tier. Ich traf noch keinen Hund, dem Nasenarbeit spielerisch keine Freude gemacht hätte. Ausgeprägten Sichtjägern muss man ein wenig auf die Sprünge helfen ihr Nasentalent zu entdecken. Gerade aber ihnen tut dieses Training wirklich gut und hilft, ihre Sichtjagdleidenschaft umzulenken. Für mich heißt es immer wieder, brachliegende Begabungen wach zu rufen und zu fördern. Das Hetzen können viele Hunde bereits, das müssen sie nicht mehr lernen oder gar trainieren. Das konzentrierte Arbeiten mit der Nase bleibt zu oft ein unberührtes Feld und das empfinde ich als sehr schade. Nasenarbeit entspannt zudem und macht den Hund müde. Wie gesagt, darf man es nicht übertreiben und muss aufhören, bevor der Hund die Freude verliert oder gar total erschöpft ist. Immer in kleinen Dosen. Schmeißen Sie ihren Ehrgeiz über Bord, unsere Hunde haben kein Leistungsdenken wie wir Menschen. Stülpen wir ihnen also unser Leistungsstreben auch nicht über.

    Eine weiterführende Form der Fährtenarbeit ist das Man-Trailing (= Personensuche). Es gibt Hundevereine und Hundeschulen, die dies anbieten. Eine spannende Sache, kann ich nur sagen.

     

    Buchtipps:

    "Die Sinne des Hundes – Wie Hunde ihre Umwelt wahrnehme" von Brigitte Rauth-Widmann

    erschienen im CADMOS Verlag

     

    "Spurensuche – Nasenarbeit Schritt für Schritt" von Anne Lill Kvam

    erschienen im Animal Learn Verlag

    Gelesen 1010 mal Letzte Änderung am Montag, 18 November 2019 18:04
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