Dieses Umherschauen ist ein amüsant faszinierendes Verhalten unter Katzen, das häufig zu beobachten ist. Bereits Prof. Dr. Paul Leyhausen beschrieb es. Es ist spannend sich die Zeit zu nehmen und selbst mal stiller Beobachter seiner Stubentiger zu werden. Durch ihr oft subtiles wie komplexes Verhalten entgeht uns im Alltag viel an den gewissen Feinheiten der Katzensprache. Als eindeutig sehr vielschichtige Geschöpfe, werden Katzen selten von nur einem Antrieb oder nur einer einzelnen Stimmung angeleitet. Dementsprechend vielfältig und manchmal widersprüchlich anmutend zeichnet sich der Melange ihrer eingesetzten Ausdrucksmittel.
Bei einer Katzenbegegnung ist das Verhältnis der Katze zur Umgebung ein wesentlicher Faktor für ihr Verhalten. Wir können immer wieder beobachten, dass jene Katze, die den Raum bereits kennt, zumindest anfänglich in einer überlegenen Position ist. Dies kann sich schon dadurch verändern, dass die neue Katze sofort einen erhöhten Platz, etwa einen Stuhl, einnimmt. Am liebsten mit zusätzlicher Rückendeckung. Durch diese erhöhte Position gleicht sich zumeist die vorherige Überlegenheit der anderen Katze aus. Die heimische Katze nähert sich dann vorsichtiger an und der Neuzugang vermag eine Annäherung gelassener anzunehmen. Manchmal kommt dann sogar ein direkter Blickkontakt zustande, der aber bald wieder von „Umherschauen“ abgewechselt wird. Zudem gilt unter Katzen als wesentlich, WER zuerst einen bestimmten Ort einnimmt. Sie leben nicht in starren sozialen Strukturen wie Rudeltiere. Ihre sozialen Strukturen sind vielmehr hoch sensibel und oft auch störungsanfällig. In einem anderen Artikel sprach ich bereits darüber, dass Katzen ihre Sicherheit über ein stabiles Raum-Zeit-und Beziehungsgefüge gewinnen.
Hat nun der Neuankömmling seinen erhöhten Platz auf dem Sessel eingenommen, ist dieses amüsant anmutende „Umherschauen“ zu beobachten. Mit einem aufmerksamen, fast zufriedenen Gesichtsausdruck sieht sie mit langsamen Kopfbewegungen überall im Raum umher. Sie meidet es aber tunlichst, in Richtung der heimischen Katze zu blicken. Man glaube aber nicht, dass sie nicht dennoch jede kleinste Bewegung der heimischen Katze wahrnehmen würde. Das wird spätestens dann deutlich, wenn die heimische Katze eine neuerliche Kontaktaufnahme versucht. Es scheint, als möchte sie mit diesem „Umherschauen“ ihre Harmlosigkeit demonstrieren.
Bereits Prof. Dr. Paul Leyhausen meinte, dass das „Umherschauen“ mit der Scheu der Katze zusammenhängt, direkt angeblickt zu werden. Man kann dies selbst testen: Man beobachte seine Katze heimlich. Wenn sie sich unseres direkten auf sie gerichteten Blickes plötzlich gewahr wird, wird sie ihre Tätigkeit unterbrechen und nur zögerlich bis deutlich gehemmt wieder aufnehmen. Wie gesagt, Katzen kommunizieren subtil, unsere Beobachtungsgabe muss manchmal erst für die vielen Feinheiten der Katzensprache geschärft werden.
Oder, eine Katze die etwa ihre Beute (real oder spielerisch) beschleicht und sich plötzlich von einer anderen Katze entdeckt sieht, wird sich sofort aufrichten und vollkommene Interesselosigkeit „markieren“ und umherschauen. Ein interessantes Phänomen ist auch, dass der direkte Blick der „Beute“ ebenso die Katze in der Durchführung ihrer Aktion hemmt. Übersprungsschnuppern kann dann die Folge sein.
Leyhausen bezeichnete das „Umherschauen“ als Zeichen eines Kontaktabbruchs („cut-off“). Begegnungen mit solch angewandten „cut-offs“ enden nur selten im Kampf. Daran sieht man wieder wie wichtig die Sozialisation ist und dass man Katzen nicht zu früh von Mutter und Geschwistern trennen sollte.
Solcherlei „cut-offs“ erfüllen eine doppelte Funktion: Das „Umherschauen“ mildert den Reiz für Angriff oder Flucht auf die begegnende Katze. Zugleich vermeidet das umherschauende, kontaktabbrechende Tier aktiv, sich selbst zu Flucht oder Angriff reizen zu lassen, wie es bei einer weiteren Annäherung der heimischen Katze kaum zu vermeiden wäre. Auf diese simple und zugleich diplomatische Art und Weise braucht sie nicht zu kämpfen und auch nicht zu flüchten. Sofern freilich das heimische Tier nicht unbedingt und fest zu einem Angriff entschlossen ist.
Wieder sieht man, Katzen sind sozial, aber nicht immer gesellig. Nur weil die Katze gerne für sich alleine „geht“ ist sie noch längst nicht sozial unbegabt.
Prof. Dr. Paul Leyhausen: „Im Gefolge des Menschen entwickelte die Katze wie dieser eine Vielfalt an Gesellschaftsformen. Alle anderen Haustiere verfügen im Vergleich zur Wildform nur über verarmte Sozialstrukturen.“
Konrad Lorenz stellte seiner Zeit die Theorie von der Selbstdomestikation des Menschen auf. Diese Selbsdomestikation läßt sich auf die Katze übertragen. Denn, die Katze setzte sich selbst – wieder im Vergleich mit anderen Haustieren – den Bedingungen eines Zusammenlebens mit dem Menschen aus. Diese führten dann in weiterer Folge zur Ausprägung ihrer Haustiermerkmale.Sie selbst entschied sich dem Menschen anzuschließen und behielt sich dabei ihre Unabhängigkeit. Faszinierende Geschöpfe, unsere Katzen.